Diese Formen, Quadrate, Dreiecke, Kreise, sie alle sind angeordnet, sollen sich zueinander verhalten. Das Ganze wirkt wie ein Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen möchten. Als ob ein Kreis sich an ein Viereck anpassen könnte. Sie alle beanspruchen es, Objekte zu sein, wollen herausgeschält werden, sich abgrenzen vom Anderen, im Mittelpunkt stehen. Doch zum Glück gibt es die Lückenfüller, die reagieren auf das Laute um sie herum. Es ist, als ob allein ihnen die Ganzheit eines Bildes am Herzen läge.
Ich schreibe in mein Notizbuch, dessen klebegebundene 80-Gramm-Seiten sich nur schwer umblättern lassen. Immer wenn ich es aufschlage, knackt es. Es wirkt, als ob das Buch lieber geschlossen bleiben wolle. Nur widerspenstig geht das Schreiben voran, es ist irgendwie unangenehm.
Ich verfolge einen Bachlauf. Das ist eigentlich eine denkbar einfache Aufgabe, könnte man meinen. Start und Ziel sind klar definiert, alle Orientierungsunklarheiten dazwischen werden durch die Fließrichtung geklärt.
Es gibt viele Schwarzbäche auf der Welt. Doch vermute ich, dass sich keiner so weit von einem typischen Bach entfernt hat, wie dieser hier. Durch ein Pumpensystem führt er in seinem Verlauf mal mehr, mal weniger Wasser. Teilweise verläuft er unterirdisch und ist ansonsten weiträumig durch Zäune abgesperrt. Das einzige, was ihn von einem Kanal unterscheidet, ist, dass sein graues Wasser gemächlich in eine Richtung fließt. Ähnlich wie Laub im Herbst treiben Fetzen, die wie Papier aussehen, auf der Oberfläche. Sie verfangen sich manchmal an den betonierten Kanten des Ufers. Den Geruch kann man irgendwo zwischen Fäkalien und Seife einordnen. Eigentlich eine ziemlich interessante Kombination.
Ich muss mir den Weg erarbeiten. Wenn ich den Bach aus den Augen verliere, gibt es viele Hochspannungsleitungen, die seltsamerweise stets über dem Bach entlanglaufen. Zudem ist da der Geruch, der auf ihn hinweist. Tatsächlich suche ich etwas, das mich abstößt. Dabei denke ich, dass das ähnlich dazu ist, einem Bach zu sagen, wo er langzufließen hat. Auch nach einigem Aufblättern leistet mein Notizbuch noch Widerstand. Ich trete in Scheiße, dazu dieser Seifengeruch. Mich trifft der Ekel und ich merke, dass er das nur tun kann, weil ich nicht drauf vorbereitet war. Es ist eine Art von Erfahrung, bei der sich mein Gefühl des Bekannten von Neuem überraschen lässt. Eine Erfahrung, die durch ihre Mischung aus Ästhetik und Verletzung wie kaum eine zweite auf die unmittelbare Gegenwart verweist.
Der Weg führt entlang an Einfamilienhäusern mit Hecken, deren Geradlinigkeit mich an den kanalisierten Bach erinnert. Hier wird einiges getan, damit alles so bleibt, wie es ist. Es regnet und ich wollte das Haus heute Morgen eigentlich lieber nicht verlassen. So versuche ich, mich von Paradoxien antreiben zu lassen. Mein Regenschirm ist krumm und umgestülpt. Bei dem Wind war das sowieso eine blöde Idee. Das nächste Mal werde ich ihn besser nicht aus dem Rucksack holen.
Meistens geht der Weg durchs Dickicht, in dem mir Hunde begegnen, die in mir offenbar einen Konkurrenten sehen. Anders ist ihr Bellen nicht zu erklären. Es ist so viel Gestrüpp um mich herum, dass ich selten aufrecht gehen kann. Vielleicht ist es das, was uns eint. Den dazugehörigen Menschen höre ich oft nur. Zungenlaute und Namen, dazu ein gedehntes ‚Hiija‘ zeigen mir an, dass da jemand die Kontrolle behalten möchte.
Aus dem Boden ragen Betonblöcke und Eisenstangen, zudem liegen Äste und Kabelreste herum. Hier sind keine Wege, doch trotzdem zeigt der Boden eine Choreografie. Die Entscheidung, einen Haufen aufzuschütten hängt mit einer immanenten Raumordnung zusammen. Doch trotzdem Ich stolpere, falle hin. Das ist mir seit Jahren nicht passiert. wirkt alles chaotisch. Zum Glück war keine Eisenstange da unten. Aber viel nasse Erde. Der Turnus meiner Kleiderwäsche richtet sich nach meinen Spaziergängen am Bach entlang.
Die meisten sind sehr neugierig auf das, was ich da tue. Mir scheint, manche gehen extra langsam. Vielleicht bin ich für sie das Gegenteil eines kanalisierten Bachs, der, wenn schon Wege existieren, doch sicherlich besseres zu tun hätte, als dort durchs unwegsame Gebüsch zu waten.
These shapes, squares, triangles, circles, they are all arranged, are supposed to relate to each other. The whole thing seems like a puzzle whose pieces do not want to fit together. As if a circle could fit to a square. They all claim to be objects, want to be singled out, to stand apart from the others, to be the centre of attention. But fortunately, there are the gap fillers, they react to the noise around them. It is as if they alone care about the wholeness of a picture.
I write in my notebook, whose perfect-bound 80-gram pages are difficult to turn. Whenever I open it, it cracks. It seems as if the book would rather stay closed. The writing proceeds only stubbornly, it is somehow unpleasant.
I'm following a stream. This is actually a conceivably simple task, one might think. Start and finish are clearly defined, all orientation ambiguities in between are clarified by the direction of flow.
There are many streams called ‘Schwarzbach’ in the world. But I suspect none has strayed as far from a typical stream as this one. Through a pumping system, it carries sometimes more, sometimes less water in its course. In places it runs underground and is otherwise widely fenced off. The only thing that distinguishes it from a canal is that its grey water flows leisurely in one direction. Like leaves in autumn, scraps that look like paper float on the surface. They sometimes get caught on the concrete edges of the bank. The smell can be classified somewhere between feces and soap. Quite an interesting combination, actually.
I have to work my way around. When I lose sight of the creek, there are many power lines that, oddly enough, always run along above the creek. In addition, there is the smell that points to it. In fact, I'm looking for something that repels me. In doing so, I think it's similar to telling a stream where to flow. Even after flipping open a few pages, my notebook still resists. I step in shit, plus that soapy smell. Disgust hits me and I realize it can only do that because I wasn't prepared for it. It's a kind of experience where my sense of the known is surprised by the new. An experience that, through its mixture of aesthetics and injury, points to the immediate present like no other.
The path leads along single-family houses with hedges, whose straightness reminds me of the canalized brook. Things are done here to keep everything as it is. It's raining and I'd rather not leave the house this morning. So, I try to let myself be driven by paradoxes. My umbrella is crooked and upside down. With the wind, it was a stupid idea anyway. Next time I'd better not take it out of my backpack.
Mostly the way goes through the thicket, in which I meet dogs, which obviously see in me a competitor. Otherwise their barking cannot be explained. There is so much brush around me that I can rarely walk upright. Maybe that is what unites us. I often only hear the associated human. Tongue sounds and names, plus a stretched ‘get here’ indicate to me that someone there wants to keep control.
Concrete blocks and iron bars protrude from the ground, and there are also branches and cable remnants lying around. There are no paths here, but still the ground shows a choreography. The decision to heap up a pile is related to an immanent spatial order. But still everything I stumble, fall down. That hasn't happened to me in years. seems chaotic. Fortunately, there was no iron bar down there. But a lot of wet earth. The rotation of my clothes washing depends on my walks along the creek.
Most people are very curious about what I'm doing. It seems to me that some walk extra slowly. Perhaps for them I am the opposite of a canalized stream, which, if there are paths, would surely have better things to do than wade through the impassable bushes there.
Publikation: 24 cm x 36,6 cm, 60 Seiten,
Auflage von 7 Stück /
Publication: 24 cm x 36,6 cm, 60 pages,
edition of 7 copies
10 analoge C-Prints auf Bauplatten, je 80 cm x 100 cm, Ytongsteine, Bauzaun, Fließestrich, Bachwasser in Plastikbechern /
10 analogue C-prints on building boards, 80 cm x 100 cm each, ytong stones, construction fence, floating screed, stream water in plastic cups